Stefan GrassLeiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
2019: Kaum jemand möchte noch Olympische Winterspiele. Das liegt auch an einem harten Gegner aus der Schweiz.
2018: Seit den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 zeigt sich die fehlende Sinnhaftigkeit von solchen Sportgrossveranstaltungen im Alpenraum. Stefan Grass, Leiter des Komitees Olympiakritisches Graubünden, der seit 18 Jahren die Kandidaturen für Olympische Winterspiele in Graubünden für 2010, 2014, 2022 und 2026 erfolgreich bekämpfte, zieht Bilanz.
2018: Stefan Grass hat die Kandidatur für Olympische Spiele in Graubünden gebodigt. Jetzt soll er Sion 2026 verhindern.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
18.11.2025
Die olympischen Winterspiele Milano-Cortina finden zwischen dem 6. und dem 22. Februar 2026 statt. Einst als «nachhaltig» angekündigt, entpuppen sich die Spiele immer mehr als eine ökologische und wirtschaftliche Katastrophe, die auch zahlreiche Spannungen zwischen Zivilgesellschaft, Organisatoren und Behörden aufwirft.
In den Bewerbungsunterlagen stand, dass die Olympischen und Paralympischen Winterspiele Mailand-Cortina 2026 die ersten nachhaltigen Spiele überhaupt sein würden. Das Adjektiv «nachhaltig» wurde in den Unterlagen ganze 92 Mal wiederholt. In Tat und Wahrheit zeichnet sich jedoch ab, dass der Grossanlass, der zwischen den Regionen Lombardia, Veneto und Trentino-Alto Adige stattfinden wird, weit mehr Infrastruktur und finanzielle Ressourcen benötigen wird als vorgesehen.
Bei
Mountain Wilderness Italien sorgen die olympischen Spiele seit mehreren
Monaten für Gesprächsstoff. In ihrem kürzlich erschienenen Buch «Oro
colato» («geschmolzenes Gold») decken Mountain Wilderness
Italien-Präsident Luigi Casanova und Co-Autor Duccio Facchini die
Hintergründe eines Grossevents auf, den sie eindeutig als Katastrophe
bezeichnen.
Nicht eingehaltene Versprechen
Gemäss der im Bewerbungsdossier dargelegten Planung sollte für alle Bauvorhaben der kommenden Winterspiele eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt werden. Dieses von der Europäischen Union geschaffene Instrument ermöglicht die Nachhaltigkeitsprüfung von Bauvorhaben und Veranstaltungen. Die meisten Bauvorhaben für die olympischen Spiele wurden jedoch keiner SUP unterzogen, viele von ihnen nicht einmal einer weniger strengen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Eine SUP wurde gemäss Mountain Wilderness Italia nur für die Organisation der olympischen und paralympischen Wettkämpfe durchgeführt. Dabei haben neben den zu restrukturierenden oder neu gebauten Sportanlagen (davon sind 30 geplant) auch alle sonstigen Infrastrukturen (insgesamt 94) erhebliche Auswirkungen.
Damit die rund 3‘500 Athlet:innen, 80‘000
Akkreditierten und zehntausenden Sportbegeisterten an die jeweiligen
Austragungsorte gelangen, sind neue Strassen- und Eisenbahnverbindungen
nötig. Viele dieser Bauwerke wurden auf Erdrutschgebieten errichtet, die
sogar noch in Bewegung sind (z.B. in Cortina d’Ampezzo), oder in
Gebieten mit erhöhtem geologischem Risiko, wie im Veltlin und in
Livigno. Andere Bauwerke betreffen Gebiete in Nationalparks, wertvolle
Wald- und Feuchtgebiete. In Cortina wurde Ende 2024 ein Lärchenwald
vernichtet, um Platz für die neue Bobbahn zu schaffen.
Intransparente Finanzierung
Die olympischen Winterspiele 2026 wurden nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus finanzieller Sicht als «nachhaltig» angekündigt. 92 % der sportlichen Infrastruktur sei bereits vorhanden, versicherten die Verantwortlichen des IOC und des Coni (italienisches olympisches Komitee) – entsprechend sei die Durchführung des Grossanlasses ein finanzielles Nullsummenspiel. Ende 2025 belaufen sich die Nettokosten für die Spiele jedoch bereits auf knapp 7 Milliarden Euro. Davon wird lediglich eine Milliarde vom IOC und den Sponsoren, Werbeeinnahmen und Fernsehrechten zugespielt. Die Differenz bezahlen die italienischen Steuerzahlenden. Da einige Bauten allerdings erst nach den Spielen fertiggestellt werden können, wird eine abschliessende Abrechnung erst im Jahr 2033 möglich sein.